MARIA
KUNSTPROJEKT
in Papier

 

Die Abformung

der Madonna ist eine Verwandlung von Stein zu Papier. Schweres wird leicht. An der Figur selbst verändert sich nur vorübergehend etwas; sie ist für einige Tage verhüllt, bis das Papier an ihr getrocknet und die Form stabil ist. Ein besonderer Moment ist das Ablösen des Papiers; wenn die Papierhaut den Stein verlässt und zu Boden schwebt. Die Arbeit ist eine künstlerische Wertschätzung der fast dreihundert Jahre alten Marienfigur, die ihrer Vernichtung entkommen konnte. Das Kunstprojekt will die Wahrnehmung der Vorbeigehenden anregen.

Wer ist Maria?

Seit dem Jahr 2000 steht die Mariensäule wieder mitten im täglichen Geschehen. Diese Aktualität drückt sich aus in dem verwendeten Papier: neu geschöpft aus geschreddertem „Murnauer Tagblatt“ mit Leinen- und Baumwollfasern gemischt. Die Marienfigur aus Papier wird sich im Atelier wieder treffen mit ihrer ursprünglichen alten neogotischen Säule, die in Teilen bereits in Papier abgeformt ist. Alle Formen gemeinsam werden sich später – künstlerisch neu zusammengefasst – in einer Installation präsentieren.

Schwer wird leicht.

 

Collage, Papier und Zeichnung auf Foto, 19,5 x 24,5 cm

 

Das Papier und sein inhaltlicher Bezug

„Das Papier, das ich benutze, habe ich extra für dieses Projekt hergestellt. Es besteht aus mehreren, fein geschredderten Wochenendausgaben des ‚Murnauer Tagblatt‘ vermischt mit Fasern von Baumwolle, Sisal und Hanf.“

Das ‚Murnauer Tagblatt‘ wurde gewählt, da es mit seinen Meldungen den aktuellen Bezug zum heutigen Murnau bietet. Es ist ein rein konzeptueller Bezug, da die einzelnen Texte nicht mehr zu lesen sind und doch sind sie in das neue Papier eingegangen. In den verwendeten Wochenendausgaben wurde das Kriegsgeschehen in der Ukraine beschrieben, das auf vielfältige Weise die ganze Welt betrifft. Hier ergibt sich die Verbindung zur Weltkugel mit dem Kreuz, die das Kind auf Marias Arm trägt. „Während des langwierigen Prozesses des Papierzerkleinerns – ich verwende einen ganz einfachen Schredder mit Handkurbel – sah ich Fotos der ersten Flüchtenden. Es waren Frauen mit ihren Kindern auf dem Arm. Madonnen!“

 

„Das Papier, das ich benutze, habe ich extra für dieses Projekt hergestellt. Es besteht aus mehreren, fein geschredderten Wochenendausgaben des ‚Murnauer Tagblatt‘ vermischt mit Fasern von Baumwolle, Sisal und Hanf.“

 
 

Neue Wahrnehmung

„An der Mariensäule“ lautet ein sicherer Treffpunkt in Murnau.
Wird die Madonna wirklich noch gesehen, oder wird sie übersehen, weil sie immer da steht. Oft geht es nur darum, ob es am Fuß der Säule noch einen Sitzplatz gibt. Selten wird der Blick nach oben zur Madonna gerichtet. Die wenigsten Passanten kennen sie wirklich. Das rund um sie aufgestellte Gerüstet verstellt nun den gewohnten Blick und macht gerade dadurch auf sie aufmerksam.

WER IST MARIA? Diese Frage steht auf Karten, die während der Aktion an Passanten verteilt und damit um einen schriftlichen Kommentar gebeten werden. Diese Aussagen sollen später in die, aus der Aktion hervorgehende Ausstellungssituation einbezogen werden.

 

Geschichte der Madonna auf der Mariensäule

Diese fast dreihundert Jahre alte Madonna hat schwere Zeiten hinter sich. 1939 sollte sie unter den Nationalsozialisten völlig entfernt werden, da sie angeblich die Durchfahrt des Postbusses behinderte. Kunstverständige Personen retteten sie, indem sie die Muttergottes mit Kind rechtzeitig vom Sockel holten und sie versteckten. Nur die Säule konnte also von ihren Gegnern entfernt werden. Nach dem Krieg wurde eine Mariensäule, nach zwei gescheiterten Anträgen und der probeweisen Platzierung einer Kopie, erst in den Jahren 1973/74 wieder aufgestellt. Für den Bau der Fußgängerzone 1999 musste die Madonna dann zu ihrem Schutz noch einmal für ein Jahr den Markt verlassen. Nun steht sie seit 22 Jahren mit neuem Sockel und großzügiger Einfassung wieder im Zentrum von Murnau, flankiert von der Mariahilfkirche. Im Dezember 2019 wurde im Fernsehen vom Fund verschiedener Teile des ursprünglichen alten Säulenschafts berichtet. Was für ein Ereignis! Heute liegen die Teile im Bau-Archiv der Gemeinde Murnau.

 
 
 

Symbolik der Madonna

Die Madonna auf der Murnauer Mariensäule ist eine ganz besondere. Während bei den meisten Darstellungen Maria mit entweder dem einen oder anderen Attribut gezeigt wird, vereint die Murnauer Madonna alle Insignien der Stärke und symbolischen Zeichen einer Königin. Sie trägt eine Krone und einen Strahlenkranz, ein weltliches und ein himmlisches Zeichen ihrer Regentschaft, 12 Sterne in einem Kreis, finden sich heute übrigens auf der Europaflagge wieder. Es ist das uralte christliche Symbol, das hier für das Ideal der Einheit aus vielen Solitären steht. In der linken Hand hält die Madonna ein weiteres Zeichen ihrer Regentschaft, ein Zepter in Liiienform. Zudem steht die Figur auf einer Mondsichel, ein überliefertes Symbol für die Verbindung zu den Kräften des Himmels, als Zeichen ihrer überirdischen Fähigkeiten. Fähigkeiten, die sich nie erschöpfen, sondern sich wie der Mond in einem ständigen Werden und Vergehen erneuern. Auf ihrem rechten Arm trägt sie ihren Sohn, das Christuskind. Das ist wiederum außergewöhnlich: zwei Drittel aller bekannten Madonnendarstellungen zeigen Maria mit dem Kind auf der linken Seite, der Seite des Herzens. Es wird die Liebe symbolisiert, die durch dieses Kind in die Welt getragen werden soll. Das Kind auf der rechten Seite dagegen ist selten. Die rechte Seite wird allgemein als die Handlungsseite des Menschen gesehen. So weist das Kind auf dem rechten Arm auf sein Handeln hin, es wird neue Gedanken in die Welt bringen und zu Veränderung aufrufen. Dieses Kind trägt auf seinem rechten Knie eine Weltkugel mit einem Kreuz darauf. Ein starkes Zeichen, das über seine reine Form symbolisch hinaus weist und den gewaltsamen, qualvollen Tod ankündigt, den das Kind auf dieser Welt erleiden wird. Mitten auf dem Murnauer Markt und sicher nicht von ungefähr, gleich beim Eingang zur kleinen Mariahilfkirche, steht diese starke, weise Frauenfigur, ausgestattet mit herausragenden mütterlichen Kräften und Zeichen ihrer überirdischen Fähigkeiten.

 

Historische Aufstellung der Madonna.

Eine Lithografie von Loesti aus dem Jahr 1860, zeigt die Madonna auf einer Säule, die genau die Form aufweist, wie sie sich aus den Teilen, die im Bau-Archiv lagern, ergibt.

 
 

Säulenstücke bei der Abformung mit Papier im August 2022.

 
 

Künstlerische Installation

Die endgültige Montage der abgeformten Teile erfolgt anschließend im Atelier und findet dort, dem künstlerischen Prozess folgend, zu einer Form, die noch nicht festgelegt ist. Die grundlegende Absicht ist dabei, dass die Marienfigur und ihre ehemalige Säule sich wieder treffen und die Leichtigkeit des Papiers die Transzendenz Mariens zum Ausdruck bringt.

Das Gesamtwerk wird in einer Ausstellung als Abschluss von 'MARIA KUNSTPROJEKT in Papier' der Öffentlichkeit präsentiert werden.

 

Erstes Ideenmodell von 2019.

Papierabformung kleiner Figuren.
Maria wird flankiert von einem Ausschnitt der Europaflagge und dem Murnauer Kopfsteinpflaster, dessen Ursprung auf die Römer zurückgeht.

 

Triptychon Murnau (28x48 cm)